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Fall Winter/Frühjahr 2020

Beschreibung:

23 jähriger Fußballspieler. Im Zweikampf einen eher schrägen Schlag auf das Knie rechts abgekommen. Schmerzen, Hautrötung, Weichteilverdickung. Zum Ausschluß einer Kniebinnenläsion erfolgte das MRT zwei Tage nach dem Ereignis.

Zur Verfügung steht im DICOM Format fast die ganze Untersuchung, nur wenige unwichtige Schichten wurden weg gelassen: A) Intermediär-gewichtete FS TSE axial; B) idem, sagittal; C) idem koronar; D) T1 SE sagittal; E) T2 TSE axial.

Der Fall „Winter/Frühling 2020“ – die Lösung

Richtige Diagnose: Morel-Lavallée-Läsion
Die Diagnose „Decollement“ wurde ebenfalls als richtig bewertet.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Danke für die zahlreiche Teilnahme an unserem 4. Fall!
Aus 12 richtigen Einsendungen wurde Dr. med Dr. Ralph Schuhmacher, Hanau,
ausgelost. Herzlichen Glückwunsch!

Anamnese:
23-jähriger Fußballspieler. Im Zweikampf einen eher schrägen Schlag auf das Knie rechts abgekommen. Schmerzen, Hautrötung, Weichteilverdickung. Zum Ausschluß einer Kniebinnenläsion erfolgte das MRT zwei Tage nach dem Ereignis.

Die Morel-Lavallée Läsion geht auf ihren chirurgischen Namensgeber zurück, der diese Läsion im 19. Jahrhundert beschrieb. Die Besonderheit dieser Verletzung der subkutanen Weichteile liegt in der Entstehung. Scherkräfte führen zu einer Ablederung des relativ mobilen subkutanen Fettgewebes von der straffen Faszie, die Fett von der darunterliegenden Muskulatur trennt. Die nahe und parallel zur Faszie verlaufenden arteriellen, venösen und lymphatischen Gefäße zerreißen in der Folge. Blut, Serum und Lymphe akkumulieren sich im Fettgewebe.

Betroffen sind vor allem, aber nicht nur, die Region um den Trochanter major, der proximale Oberschenkel und das Knie. Eine Mitbeteiligung der unter der Läsion liegenden Muskulatur ist selten (ca 10%).

 

De Coninck et al. haben anhand von über 30 Fällen die relevanten MR Befunde herausgearbeitet.

  • Die Läsionen breiten sich fast immer spindelförmig, selten oval aus.
  • Sie haben in der Mehrzahl einen zystischen Charakter, in einem Drittel der Fälle entsteht das Bild eines sich in Organisation befindlichen Hämatoms mit einem inhomogenen, zystischen-bindegewebigem Erscheinungsbild.
  • Eine Kapsel ist in ca 60% der Fälle zu finden.
  • In ca 50% der Fälle sind Septen zu erwarten, die die Läsion durchziehen.
  • In der T1 Wichtung sind die Flüssigkeitsansammlungen hypo- oder isointens zur Muskulatur, selten bei frischen Blutbestandteilen hyperintens.
  • Hohes, flüssigkeitsäquivalentes Signal in der T2- oder intermediären Wichtung von TSE Sequenzen.
  • In der Flüssigkeit sind in ca. der Hälfte der Fälle fettige Globuli nachweisbar.

 

Die Diagnose einer Morel-Lavallée Läsion kann dann gestellt werden, wenn:

  • anamnestisch ein Trauma der Weichteile vorliegt
  • die flüssigkeitsäquivalente Läsion primär zwischen Faszie und subkutanem Fettgewebe lokalisiert ist. Das subkutane Fettgewebe selbst kann bis zur Haut mitbeteiligt sein.

In unserem Fall liegt die flüssigkeitsäquivalenten Läsion antero-medial am Kniegelenk direkt auf der Fascia cruris. Das gering ausgeprägte subkutane Fettgewebe ist bis zur Haut unterminiert und es entstehen dadurch viele Septen. Charakteristischerweise sind die unter der Faszie und dem anteromedialen Bandapparat gelegenen anatomischen Strukturen nicht beteiligt. Die Lage antero-medial am Kniegelenk ist typisch für eine Morel-Lavallée Läsion am Kniegelenk.

Als Differentialdiagnose können – wen auch sehr selten – myxoide Tumoren oder Tumoren mit myxoiden Anteilen Schwierigkeiten bereiten. Die Anamnese und eine mehr irregulär-flächige Kontrastmittelanreicherung des Tumors sollten die Frage klären.
Bursitiden (präpatellar, peritrochantär) sind ebenfalls als DD der Morel-Lavallée Läsion beschrieben worden. Die Kenntnis der anatomischen Lage der Bursen hilft bei der Abgrenzung. So liegt die präpatellare Bursa mittig, nicht, wie in unserem Fall, antero-medial.

Therapie:
Primär wird konservativ mit Bandagierung, evtl. kombiniert mit einer Aspiration, therapiert. Im weiteren Verlauf ist, abhängig vom Alter und der Größe der Läsion, eine Drainage, eine operative Ausräumung oder Kapselentfernung indiziert.

Klaus Bohndorf


Literatur:

De Coninck T, Vanhoenacker F, Verstraete K: Imaging Features of Morel-Lavalée Lesions. J Belg Soc Radiol 2017; 101 (Suppl 2):15

Vassalou E, Zibis A, Raoulis V et al. Morel-Lavalée Lesions of the Knee: MRI Findings Compared with Cadaveric Study Findings. AJR 2018; 210: W234