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Fall Frühjahr/Sommer 2024

Beschreibung:

Erstvorstellung eines 43-jährigen Mannes in der Rheuma-Ambulanz. Überweisung zur Röntgenaufnahme beider Hände und der MRT der rechten Hand. In der Anforderung steht: „Schmerzen der MCP und PIP Gelenke beidseits. Abklärung. DD: Arthrose, RA, Hämochromatose, Gicht“

 

Ihnen liegen zur Beurteilung vor (in dieser Reihenfolge):

Röntgenaufnahmen beider Hände in 2 Ebenen

MRT: 4 Sequenzen

  • T1 koronar
  • T2 (TE 60 ms), fettgesättigt, koronar
  • T1 fettgesättigt nach KM koronar
  • T1 fettgesättigt nach KM axial

Wir benutzen zur Präsentation der DICOM Bilder den Berlin Case Viewer und danken Prof Dr. Kay-Geert Hermann, Berlin für die Überlassung.

 

EINSENDESCHLUSS: 07.07.2024
Aus den richtigen Antworten wird eine Gewinnerin oder ein Gewinner ausgelost. Der Preis ist eine kostenlose Teilnahme an einem der Seminare von “msk-wissen” 2024 oder 2025. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Die Diagnose des Frühjahr/Sommer Falls 2024:

Hämochromatose-Arthropathie

Miriam Scheuchenzuber, Rosenheim

hat die Diagnose korrekt gestellt und wurde aus den richtigen Einsendungen ausgelost. Herzlichen Glückwunsch!

Elf Kolleginnen und Kollegen haben sich die Zeit genommen und sich geäußert. Es gab neun richtige Diagnosen. Zwei Kolleginnen und Kollegen haben die Diagnose Rheumatoide Arthritis gestellt.

Im vorliegenden Fall wurde die Diagnose erleichtert, da die anfordernden Kollegen die Hämochromatose Arthropathie – noch in Unkenntnis der Laborwerte bei einer Erstvorstellung – ausdrücklich als Differentialdiagnose auf der radiologischen Anforderung erwähnt hatten. Es hat sich wirklich so zugetragen!

Warum ist es eine Hämochomatose Arthropathie? Und wie kommt man zur richtigen radiologischen Diagnose?

Die wesentlichen röntgenologischen Befunde für die Diagnose sind:

1. Gelenkspaltverschmälerung
Das MCP-Gelenk des 2. und besonders des 3. Strahls bds. ist betroffen.

Abb 1. MCP-Gelenk des 2.-4. Strahls links in der Röntgen-Schrägaufnahme mit unharmonischer Gelenkspaltverschmälerung des Strahls 2 und 3.

 

2. Subchondrale Zysten

Abb 2. MCP-Gelenk des 3. Strahls links mit subchondraler, randsklerosierter zystoider Struktur.

 

3. Hakenförmige Osteophyten („dropping osteophytes“)

Abb 3. MCP-Gelenke 2 – 4 der rechten Hand in der Röntgen-Schrägaufnahme mit hakenförmigen bzw. „hängende“ Osteophyten am 2. Strahl.

Begleitende Knorpelverkalkungen sind in den Röntgenaufnahmen nicht zu erkennen. Zu beachten ist vor allem die fehlende Osteopenie des gesamten Handgelenks (DD zur Rheumatoiden Arthritis).


Was sind die wesentlichen MRT-Befunde:

1. Synovitis/Gelenkerguss

Die Differenzierung Gelenkerguss/Synovitis gelingt durch den Vergleich der T2-gewichteten mit der KM-Aufnahme. Es kommt nicht nur zur Anreicherung des KM in der Gelenkflüssigkeit sondern auch der Gelenkbinnenhaut, vor allem gut sichtbar am 2. Strahl (Abb 4)

Abb 4. Vergleich der koronaren Aufnahmen der rechten Hand ohne (oben, T2-gewichtet) und der T1- gewichten Aufnahme nach KM. Anreicherung sowohl des Ergusses aber auch der Synovialmembran, vor allem gut sichtbar am 2. Strahl (Pfeil).

 

2. Knorpelschädigung/Erosionen/subchondrale Synovitis

Abb 5. Detailaufnahme des MCP Gelenks des 3. Strahls vor und nach KM, entsprechend Abb 4. Während in der linken (T2-gewichteten) Aufnahme die Knorpelirregularität und der wasserhaltige Anteil der subchondralen Läsion in der Druckaufnahmezone des 3. Metacarpale sichtbar wird, belegt die T1-gewichtete KM-Aufnahme den synovitisch/inflammatorischen Charakter der subchondralen Läsion.

 

3. Hakenförmige Osteophyten am radialen Anteil des 3. Metacarpale.


Abb. 6. Klassischer Befund eines hakenförmigen („dropping“) Osteophyten.

 

Schlussfolgerung:

Neben der Untermauerung des charakteristischen Befundes des hakenförmigen Osteophyten am radialen Anteil des Metacarpalknochens wird der inflammatorisch/erosive Charakter der Veränderungen an den Handgelenken, nicht nur, aber bevorzugt der MCP- Gelenke deutlich.
Es muss an dieser Stelle gesagt werden, dass die MRT in Unkenntnis der Diagnose bei der Erstvorstellung des Patienten „routinemäßig“ angemeldet wurde.


Zusammenfassung:

Die „Hämochromatose-Arthropathie“ ist die Manifestation einer angeborenen Systemerkrankung, der „hereditären Hämochromatose (HHC)“. Dies ist eine Gruppe von vererbten Eisenspeicherkrankheiten. Der autosomal rezessive Typ 1 ist die häufigste Variante in kaukasischen Populationen. Am häufigsten wird dieser Typ durch homozygote C282Y-Mutationen verursacht. Nicht jede Hämochromatose wird klinisch manifest, lediglich 10–50 % aller Träger entwickeln klinische Symptome.

Die Erkrankung führt zu einer unausgeglichenen Eisenabsorption und dessen Akkumulation in verschiedenen Organen wie Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse, Haut und Gelenken. Innerhalb von Jahrzehnten entwickeln die betroffenen Organe strukturelle Umbauten und eine Insuffizienz. In den meisten Fällen werden klinische Symptome im Alter zwischen 40 und 50 Jahren offensichtlich.
Bei 50–75 % der betroffenen Patienten geht die Krankheit mit einer spezifischen Arthropathie einher, deren Pathogenese noch unklar ist. Obwohl diese Arthropathie jedes Gelenk betreffen kann, wird sie am häufigsten in den zweiten und dritten Metakarpophalangealgelenken (MCP) und den proximalen Interphalangealgelenken (PIP) sowie in Knie, Handgelenk, Hüfte, Schulter und Knöchel beobachtet. Die Arthralgie wird normalerweise durch Bewegung verschlimmert und schreitet mit dem Alter fort. In 5–30 % der Fälle wird die Arthropathie von einer peri- und intraartikulären Ablagerung von Kalziumpyrophosphat-Dihydrat-Kristallen (Chondrokalzinose) begleitet.

 

Differentialdiagnose:

Kalzium-Pyrophosphat-Ablagerungserkrankung (CPPD):
Der Befall der MCP-Gelenke ist bei der Chondrokalzinose untypisch. Auch die „hakenförmigen“ Osteophyten treten bei der Chondrokalzinose nur sehr selten auf.

Arthrose:
Diese befällt bevorzugt die distalen Handgelenke und nicht die MCP-Gelenke.

Die „Rheumatoide Arthritis“ mag klinisch eine Differentialdiagnose sein. Röntgenologisch ist die RA durch die juxtaartikuläre Knochendichteminderung, die Unschärfe oder das Fehlen der subchondralen Grenzlamelle und den Nachweis marginaler Erosionen (ohne Sklerose) gekennzeichnet und in aller Regel keine DD der Hämochromatose Arthropathie.


Prof. Dr. Klaus Bohndorf, Prof. Dr. Frank Römer


Literatur:

Frenzen K, Schäfer C, Keyßer G. Erosive and inflammatory joint changes in hereditary hemochromatosis arthropathy detected by low-field magnetic resonance imaging Rheumatol Int., 2013 33(8):2061-7.