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Fall Winter/Frühling 2024

Beschreibung:

46jähriger kräftiger Mann (1,89m; 105kg) wird akut zur MRT überwiesen. In der Überweisung ist vermerkt: “Seit gestern akut auftretende Schmerzen am linken Fuss. Kein Trauma.”

Was ist Ihre Diagnose? Nur eine Diagnose ist erlaubt.

 

Ihnen liegen zur Beurteilung vor (in dieser Reihenfolge):

  • T1 sagittal

  • Intermediär fettgesättigt sagittal

  • Intermediär fettgesättigt koronar

  • Intermediär fettgesättigt schräg-axial

  • T1 fettgesättigt nach KM sagittal

  • T1 fettgesättigt nach KM schräg-axial

Wir benutzen zur Präsentation der DICOM Bilder den Berlin Case Viewer und danken Prof Dr. Kay-Geert Hermann, Berlin für die Überlassung.

 

EINSENDESCHLUSS: 26.03.2024
Aus den richtigen Antworten wird eine Gewinnerin oder ein Gewinner ausgelost. Der Preis ist eine kostenlose Teilnahme an einem der Seminare von “msk-wissen” 2024 oder 2025. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Der Winter/Frühjahrfall 2024 ist gelöst. Die Diagnose lautet: Akuter Gichtanfall.

 

Dr. Michael Köcher, Heidelberg

hat als Einziger diese richtige Diagnose gestellt.

Herzlichen Glückwunsch!

 

10 Kolleginnen und Kollegen haben sich die Zeit genommen und sich geäußert (Anfängliche technische Probleme beim E-Mail-Versand und ein temporärer Ausfall unseres Viewers sind wohl für die geringe Zahl der Einsendungen mit verantwortlich).

Oder war die Diagnose so schwer?  Wir können uns das nicht vorstellen.

 

Warum ist es eine Gicht? Und wie kommt man zur Diagnose?

Die wesentlichen radiologischen Befunde für die Verdachtsdiagnose sind:

Synovitis der vorderen Gelenkkammer des unteren Sprunggelenks mit intensiver Weichteilbeteiligung im Fussgewölbe.

Da Erosionen fehlen, ist die Diagnose schwierig. Auch Tophi sind nicht nachweisbar. Eine Differentialdiagnose wären Formen der seronegativen Spondylarthropathie (z.B. die Psoriasis).

Das beschriebene Ganglion ist ein Nebenbefund. Insbesondere reichert das Ganglion kein Kontrastmittel an. Es ist am Entzündungsprozess nicht beteiligt. Der Ausgangspunkt des Ganglions ist die hintere Gelenkkammer des unteren Sprunggelenks.

 

Diese Befunde werden unten im Detail erläutert.

 

Aber wie kommt man zur Diagnose „Gicht“?

Von uns gefragt nach den „Klickpunkten“ für die richtige Diagnose schreibt Dr. Michael Köcher:

Nicht mehr ganz junger Mann mit leichtem Übergewicht(!), kein Trauma, keine besonderen Vorerkrankungen.
Massives Weichteilödem im Mittelfuß, eine der Hauptlokalisationen für die Gicht.
Und abschließend: If you are in doubt, think of gout!

 

Wunderbar!

 

Es bestätigt immer wieder die alte Wahrheit. Erst die Kombination von radiologischen Befunden mit klinischen Kenntnissen erlaubt die Diagnose.

Ergänzend: Der Patient hatte akut einsetzende Schmerzen über Nacht, ohne ersichtliche Ursache und konnte den Fuß nicht belasten. Diese Schwellungen und Schmerzen sind Folge von Niederschlägen von Natriumurat-Kristallen, die lokal eine starke entzündliche Reaktion auslösen.

Zur Klinik, Pathophysiologie und Stadieneinteilung der Gicht sei auf die Lehrbücher und Literaturübersichten verwiesen. Dies ist Alltagswissen (eigentlich), welches auch leicht per Internet abgerufen werden kann.

Zwei Merksätze für die tägliche Praxis.

  • Natriumurat-Kristallablagerungen können bildgebend nachgewiesen werden und trotzdem sind die Patienten klinisch aysmptomatisch.
  • Klinisch symptomatische entzündliche Kristallablagerungen bei der Gicht können mit einem normalen Harnsäurespiegel einhergehen. Ein normaler Spiegel schließt eine Gicht nicht aus!

 

Zu weiteren eingesandten Diagnosen wird weiter unten Stellung genommen.

 

Was sind die MRT-Befunde:

  • Kontrastmittel-anreichernde Synovitis der vorderen Gelenkkammer (Talo-kalkaneo-navikulares Gelenk) des unteren Sprunggelenks mit kleinem Begleiterguss (Abb 1)

Anmerkung: Die hintere Gelenkkammer des unteren Sprunggelenks und das obere Sprunggelenk weisen zwar kleine unspezifische Ergüsse, aber keine Synovitis auf. Die geringe Ergussbildung in der vorderen Gelenkkammer trotz florider Synovitis ist durch die sehr straffe Gelenkkapsel zu erklären.

Abb 1:  Synovitis der vorderen Gelenkkammer, dargestellt nach Kontrastmittelgabe. Die sagittale Aufnahme belegt die Kontrastmittelaufnahme am Boden der Gelenkkammer (= Pfannenband) (Pfeil). Die plantar liegenden Weichteile sind mitbeteiligt (genauer siehe unten). Die schräg-axiale Aufnahme zeigt sehr schön die Synovitis des unteren Sprunggelenks mit kleinem Erguss medial am Talushals (Pfeil).

  • Diffuse Signalsteigerung und Kontrastmittelaufnahme der Weichteile im zentralen Kompartiment des Fussgewölbes unterhalb des Pfannenbandes (Abb. 2). Es ist davon auszugehen, dass es sich um eine Begleitreaktion der Synovitis der vorderen Gelenkkammer handelt.

Abb 2a: Wassersensitive TSE-Sequenzen in 2a und b.

Signalanreicherung der Weichteile im oberen Anteil des Fussgewölbes (gelbe Pfeile). Der Befund reicht vom Kalkaneus (Anschnitt des Sustentaculums) bis nach ventral zum Anschnitt der Os cuneiforme mediale (weißer Asterisk).  Den Boden der Signalanreicherung bildet der M. quadratus plantae. Siehe x b

Abb 2b: Koronare Ebene im hinteren Drittel der oben beschriebenen Signalanreicherung im Fussgewölbe. Die Signalanreicherung von Abb 2a kann anatomisch genauer zugeordnet werden. Sie erstreckt sich unterhalb des Pfannenbandes. Nach plantar wird der Befund vom M. quadratus plantae und den Sehnen des Flexor hallucis longus und Flexor digitorum longus begrenzt. C = Cuboid.

  • Knotige signallose Auftreibung von gut 1 cm Durchmesser in der Sehnenscheide des tibialis posterior (Abb 3) Die Sehne ist nach medial verlagert und abgeflacht. Der Befund ist signalarm in T1 und nimmt kein Kontrastmittel auf. Es handelt sich mit wohl nicht um einen akzessorischen Knochen (der müsste bei dieser Größe spongiosiert sein). Da keine Signalanreicherung in und um den Befund vorliegt, werden viele den Befund gar nicht als pathologisch realisiert haben!

Anmerkung: Wir haben lange überlegt und uns auch andere Meinungen eingeholt. Nein, es ist wahrscheinlich kein außergewöhnlich großes Os tibiale externum, Typ 1. Ein Tophus ist für uns die wahrscheinlichste Diagnose. Wie wir später noch einmal ermitteln konnten, hatte der Patient in der Anamnese bereits früher einen Gichtanfall am Großzehengrundgelenk.

 

Natürlich würde ein dual energy CT zum direkten Uratnachweis das Problem klären. Der Aufwand steht jedoch in keinem Verhältnis zum klinischen Ertrag.

Abb 3: Knotige, in allen Sequenzen signallose Auftreibung (auch nach Kontrastmittelgabe) von gut 1 cm Durchmesser in der Sehnenscheide des M. tibialis posterior (Pfeile). Darstellung in drei Ebenen und in Intermediär- und T1-gewichteter TSE-Sequenz.

  • Multilokuläres Ganglion im Sinus tarsi.

Das ausgeprägte, traubenartige Ganglion entwickelt sich wahrscheinlich aus der hinteren Kammer des unteren Sprunggelenks (Abb 4), füllt die lateralen Anteile des Sinus tarsi aus und entwickelt sich bis zur lateralen Außenfläche des Mittelfußes.

Anmerkung: Aus unserer Sicht ist dies ein Nebenbefund.

Abb. 4. Wassersensitive Sequenzen (TE 35 ms).

Ausgehend von der hinteren Kammer des unteren Sprunggelenks (Pfeil) findet sich ein multilokuläres, traubenförmiges Ganglion im lateralen Anteil des Sinus tarsi und in den subkutanen Weichteilen. Es entwickelt sich nach lateral.

 

Anmerkungen zu weiteren eingesandten Diagnosen. 

Es wurden einige Diagnosen genannt, die das Pfannenband betreffen und auf ein Trauma oder eine chronische Überlastung hinweisen:

  • „Totalruptur des inferoplantaren longitudinalen Anteils des Pfannenbands, verdickter schräger medioplantarer Anteil des Pfannenbands – wahrscheinlich durch das erhöhte Gewicht des Patienten“
  • „Ruptur des Spring Ligaments “
  • „Teilruptur des Pfannenbands“

 

Noch mal zur Anatomie des Pfannenbandes:

Das Pfannenband besteht aus drei Anteilen, die einen schrägen Verlauf aufweisen und im Standardprokotoll schräg angeschnitten werden.

Die drei Anteile des Pfannenbands werden nach dem Verlauf und der Insertionsstelle am Os naviculare benannt:

  • Der klinisch relevanteste Anteil des Pfannenbands ist das superomediale calcaneonaviculare Ligament. Die distale Insertion ist an der superioren Facette des Os naviculare medial. Nach kranial-proximal geht das Pfannenband in das Tibiospring Ligament (das ist kein Teil des Pfannenbandes, sondern Teil der medialen tibio-talaren Gelenks) über und ist als Verdickung plantar des Tibiospring Ligaments in den coronalen Sequenzen erkennbar (Abb 5)

Abb 5: Das Tibiospring Ligament, als Teil der medialen tibio-talaren Gelenkes inseriert nach kaudal-distal in den calcaneonavikularen Anteil des Pfannenbands. Roter Pfeil = Pfannenband, gelber Pfeiler = Tibiospring Ligament, weißer Pfeil = Knotige Auftreibung der Tibialis posterior Sehne.

Das medioplantare oblique und das inferoplantare longitudinale Ligament des Pfannenbandes verstärken die Aufhängung des Taluskopfs nach plantar und verlaufen in einer anderen Ebene als das superomediale calcaneonaviculare Ligament.

  • Das medioplantare oblique Ligament inseriert an der plantaren Facette des Os naviculare medial und verläuft schräg (Abb 6) 
  • Das inferoplantare longitudinale Ligament inseriert noch tiefer und plantar am Os naviculare mit einem Verlauf von posterior nach anterior (longitudinal entlang der Fußlängsachse – Abb 7)
  • Hinweis: Das medioplantare oblique und das inferoplantare longitudinale Ligament haben als Ursprung die kleine Fossa coronoidea am Calcaneus und können so schnell auf axialen Schichten erkannt werden (Abb 6 und 7).

Abb 6: Die roten Pfeile weisen auf das kräftige medioplantate oblique Ligament mit multifaszikulärem Aufbau und kleinsten perifaszikulären Gefäßen.

Abb 7: Der rote Pfeil weist auf das kurze inferoplantare Ligament, der gelbe Pfeil auf angeschnittene Anteile des medioplantaren obliquen Ligaments.

In allen Sequenzen lassen sich die drei Anteile des Pfannenbands kontinuierlich abgrenzen.

Die Tatsache, dass das Pfannenband in den Entzündungsprozess der vorderen Kammer des unteren Sprunggelenks mit einbezogen ist und signalreich durchsetzt ist – und wie eine Teilruptur aussieht – hängt mit dem multifaszikulären Aufbau des medioplantaren obliquen Ligaments zusammen. Dies wurde unter „MRT-Befunde“ genau beschrieben.

 

Fazit zum Pfannenband

Die Befunde am plantaren Anteil des Pfannenbandes haben bei Einsendern den Eindruck einer – zumindest – Teilruptur des medioplantaren obliquen Ligaments entstehen lassen.

Aber eine Diskontinuität liegt nicht vor und: Bitte an die Anamnese denken. Ein Trauma lag ausdrücklich nicht vor. Eine spontane Ruptur dieser kräftigen Struktur aufgrund von Übergewicht (“kräftiger Mann”) erscheint nicht plausibel.

Ferner ist eine isolierte Verletzung des Pfannenbands eine Rarität – häufiger tritt eine Ruptur des Pfannenbandes bei einer komplexen Verletzung des Außen- und des Innenbandapparats auf. Dabei ist meistens die Insertionsstelle des Tibiospring Ligaments in das Pfannenband betroffen.

Chronische Pathologien des Pfannenbands werden klassischerweise bei der Insuffizienz der Tibialis posterior Sehne beobachtet, diese ist in unserem Fall kontinuierlich durchgängig.

 

Zusammenfassung:

Die Befunde im MRT sollten an eine Gicht zumindest denken lassen. In Zusammenhang mit den anamnestischen Angaben und der Klinik ist eine Gicht hoch wahrscheinlich. Die Diagnose bestätigte sich durch die nach (!) der MRT vorgenommene Laborchemie mit erhöhten Entzündungswerten und einer deutlich erhöhten Harnsäure. Der Patient sprach auf die medikamentöse Therapie an.

 

Prof. Dr. Klaus Bohndorf/ Dr. Milen Golchev/ Dr. Romy Elsner